Interviews

5 Fragen an Alain Claude Sulzer

Sulzer_Gesamtwerk Galiani
© Lucia Hunziker

Alain Claude Sulzer mit dem Solothurner Literaturpreis 2025 ausgezeichnet.

Der Solothurner Literaturpreis wird an deutsch schreibende Autor*innen vergeben, deren Gesamtwerk bzw. Oeuvre durch literarische Qualität, künstlerische Individualität und inhaltliche Relevanz hervorsticht. Die Preissumme beträgt CHF 15’000. Eine unabhängige Jury entscheidet über die Preisvergabe.

Alain Claude Sulzer, 1953 geboren, lebt als freier Schriftsteller in Basel, Berlin und im Elsass. Er hat zahlreiche Romane veröffentlicht, u.a. Ein perfekter Kellner, Zur falschen Zeit, Aus den Fugen und zuletzt Doppelleben. Seine Bücher sind in alle wichtigen Sprachen übersetzt. Für sein Werk erhielt er u.a. den Prix Médicis étranger, den Hermann-Hesse-Preis, den Kulturpreis der Stadt Basel und nun zuletzt den Solothurner Literaturpreis.

Im Interview spricht Alain Claude Sulzer über das Schreiben, sein Werk und was als Nächstes kommt

 

 

Herzlichen Glückwunsch zum Solothurner Literaturpreis! Wir haben uns sehr mit Ihnen gefreut. 

 

Auch ich habe mich natürlich gefreut.

 

Ihre Romane spielen in der Schweiz der späten 60er, im Bochum der 70er und sogar im Paris des 19. Jahrhunderts. Was interessiert Sie so am Blick zurück?

 

An meinem jetzigen Alter kann es nicht liegen, da schon meine frühen Romanen fast ausnahmslos in der entfernteren Vergangenheit spielten. Vielleicht ermöglicht ja erst der zeitliche Abstand die erzählerische Distanz, die nötig ist, um bestimme Geschichten zu erzählen? Romane schreiben sich bekanntlich schlecht im Präsens; die Lektüre erweist sich meist als ermüdend. Selbst das Perfekt, die vollendete Gegenwart, ist eine literarische Form, der der Leser schnell überdrüssig wird. Das heißt: Erst mit einem gewissen Abstand erhält man den Überblick, ohne den ich eine Geschichte nicht erzählen kann. Auf Französisch trifft das Wort recul, das was ich meine, noch besser als das Wort «Abstand» oder «Distanz»: es meint das Zurücktreten. Man steht vor einem Bild und macht einen Schritt zurück, um es besser in den Blick zu bekommen, und macht wieder einen Schritt vor, um ganz nah zu gehen, bis man den Pinselstrich sieht. Das Gemälde bleibt unbeweglich, aber die Perspektive ändert sich ständig. In der Literatur kommt hinzu, dass das Bild sich zu bewegen beginnt.


 
Ein Preis für das bisherige Lebenswerk lädt ja ebenfalls zum Blick zurück ein. Wie fühlt es sich an, für das - stand heute - ganze Oeuvre geehrt zu werden?

 

Wie soll ich sagen … Ich nehme das mit einem angenehmen Gefühl zur Kenntnis, aber für etwas
Gesamtes geehrt zu werden, stößt bei mir auf einen gewissen Widerstand. Ich fühle mich und das, was ich bisher geschrieben habe, nicht als etwas Gesamthaftes … es sind ja eher viele, viele kleine Schritte.


 
Was viele Ihrer Romane verbindet, ist, dass in Ihnen das Verhältnis der Figuren zu ihrer Arbeit eine Rolle spielt. Der Angestellte Stettler verliert in Unhaltbare Zustände eben jenen Halt, wenn ihm ein junger Kollege aufgezwungen wird. Einem Maler wird der Ruhm in Fast wie ein Bruder erst posthum zu Teil. Was bedeutet Ihnen das Arbeiten?

 

Soviel ist sicher: Wenn ich längere Zeit nicht am Schreibtisch gesessen habe, bin ich unzufrieden; nicht so sehr, weil mir etwas fehlt, sondern weil ich den Eindruck habe, ich hätte eine Art Verpflichtung, etwas zu schreiben. Dabei habe ich natürlich keine Verpflichtung, nur einen Wunsch, wieder etwas zustande zu bringen, was zumindest entfernt meiner Idealvorstellung entspricht.

 

In mehreren Büchern geht es um unglückliche Liebe. In Ein perfekter Kellner ist es die Liebe zu dem gleichen Mann, die verschiedene Figuren unglücklich macht. In Doppelleben geht eine Frau an ihrer Liebe zugrunde. In Fast wie ein Bruder sind die Folgen eines unfreiwilligen Coming-Outs als schwuler Mann in den 70ern Thema. Eignet sich komplizierte oder unglückliche Liebe besser für Romane?

 

Natürlich. Erfüllte Liebe gibt es nur in Büchern, die niemand lesen will.

 

Und wie geht es weiter? Woran arbeiten Sie gerade?

 

An einem Roman, über den ich, wie ich es immer schon gehalten habe, öffentlich nichts sagen werde. Ihn zu schreiben, ist aber, so viel kann ich doch sagen, ein großer Spaß, auch wenn es alles auf eine große Abdankungsfeier hinausläuft. So, jetzt habe ich doch mehr gesagt, als ich eigentlich sagen wollte.

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