Interviews

Ein Interview mit Andreas Dorau

Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden: ein Gespräch mit Andreas Dorau über »Die Frau mit dem Arm«, das zweite gemeinsame Buch mit Sven Regener, mysteriöse Titel und Lachen im Bundesdurchschnitt.

Sven Regener und Andreas Dorau
© Foto: Charlotte Goltermann Sven Regener und Andreas Dorau

Nach „Ärger mit der Unsterblichkeit“ erscheint jetzt ein neues Buch, das Du gemeinsam mit Sven Regener gemacht hast: „Die Frau mit dem Arm“. Wie kam es zu diesem rätselhaften Titel?

Der Titel ist eine der Geschichten, die im Buch vorkommen und womöglich meine Lieblingsgeschichte. Normalerweise habe ich immer sehr sehr viele Titel. Da fällt die Entscheidung oft schwer. Hier war es diesmal ganz anders, Sven und mir war sofort klar, dass das der Titel unseres Buches sein soll. In der Geschichte geht es um mein Faible für Arztbesuche – dort hole ich mir gern eine Absolution. Diesmal gab es aber eine besondere, mysteriöse, äußerst seltene, für mich schmeichelhafte Diagnose.

Von Dir ist ja bekannt, dass Du sehr gewitzt mündlich Geschichten erzählen kannst, die immer etwas von Seemannsgarn haben. Sven Regener dagegen ist Bestsellerautor, der in seinen Romanen einen extrem beliebten und sehr eigenwilligen Erzähl-Kosmos erfunden hat. Wie kann man sich Eure Zusammenarbeit vorstellen? 

Dies ist ja unser zweites gemeinsames Buch und unsere Zusammenarbeit läuft wie folgt ab: Ich habe einige Geschichten aus meinem Leben vorbereitet, die ich auf mehreren Seiten stichwortartig notiert habe. Dann besuche ich Sven in Berlin, erzähle sie ihm und Sven macht dann daraus schöne Literatur. Das Gute dabei ist, ich wäre nie darauf gekommen, etwas aus meinem Leben zu erzählen. In Sven habe ich direkt meinen ersten Lektor. Wir schätzen schon beim Schreiben zusammen ein, ob eine Geschichte unterhaltsam oder zumutbar ist. Daraus stricken wir dann den Roman eines Lebens. Seemannsgarn ist das nicht – alle Geschichten, die wir erzählen, haben sich genau so zugetragen. Bilde ich mir zumindest ein.

Worin unterscheidet sich „Die Frau mit dem Arm“ von eurem Erstling „Ärger mit der Unsterblichkeit“?

„Ärger mit der Unsterblichkeit“ endete im Jahr 2000, dieses Buch fängt mit der Jahrtausendwende an. „Die Frau mit dem Arm“ ist eigentlich die Fortsetzung des ersten Buches, bloß dass ich einige Jahre älter bin, mir aber immer noch viele Fehler und Irrtümer unterlaufen.

„Die Frau mit dem Arm“ ist voller extrem lustiger, absurder, kluger, empathischer Geschichten, die von Erfolg, Größenwahn, Auftrittsangst, seltsamen Veranstaltern und der Entstehung von Kunstwerken erzählen. Habt ihr beim Schreiben des Buches so viel gelacht, wie man es beim Lesen tut? 

Ich erzähle zwar gern lustige Geschichten, lache aber sehr selten. Wahrscheinlich lache ich deutlich weniger als der Mensch im Bundesdurchschnitt. Sven wiederum lacht beim Vorlesen der Geschichten häufig, was mich immer freut, und hoffentlich ein Garant dafür ist, dass die Geschichten tatsächlich lustig sind.

Der Verlag behauptet, dass die Geschichten Eures Buches so klingen, als wäre hier eine Figur aus einem Sven-Regener-Roman lebendig geworden. Wie geht es Dir damit, mit Romanfiguren verglichen zu werden? 

Finde ich grundsätzlich gut, zumal die Figuren in den Romanen von Sven ja in ähnlichen Lebensumständen agieren wie ich. Man muss bedenken, dass wir uns schon seit 1981 kennen. Unsere musikalische Geschichte bewegte sich in ähnlichen Hemisphären, so dass es viele Überschneidungen gibt.

In den Geschichten geht es oft darum, künstlerische Krisen mit Humor zu überstehen und zu bewältigen. Man könnte das Buch vor allem jungen Menschen, die was mit Kunst machen wollen, sehr gut als Pflichtlektüre empfehlen. Oder würdest Du ihnen eher raten, alles ganz anders zu machen als Du? 

Ich werde öfter gebeten, jungen Leuten, die etwas Künstlerisches machen wollen, generelle Tipps zu geben – davon halte ich gar nichts. Für jeden Menschen gibt es einen anderen Weg. Tipps sollte man immer auf die jeweilige Person zuschneiden, generelle Tipps vermeiden. Für den einen ist ein Tipp richtig, für den anderen desaströs. Ansonsten würde ich mich natürlich freuen, wenn unser Buch in Schulen gelesen wird.

In „Die Frau mit dem Arm“ schreibt ihr, dass Du nach „Ärger mit der Unsterblichkeit“ erstmal genug von Deiner eigenen Geschichte hattest und daher direkt danach das Album „Die Liebe und der Ärger der anderen“ entstand. Wie geht es dir dieses Mal? 

Dieser Zustand ist zum Glück noch nicht eingetreten und ich hoffe, das bleibt so. Fragen Sie mich bitte in zwei Monaten nochmal.

Für die einen ist er ein lebendes Gesamtkunstwerk, das sich immer weiter vervollkommnet, für die anderen ein Popstar, der partout nicht lockerlässt, für die dritten wiederum ein unerschrockener Jäger des verlorenen Schatzes der Kulturindustrie: Andreas Dorau – viel bewundert, eigensinnig, genial. Und alle sind sich einig: Nichts ist so inspirierend wie dieser Meister der Exzentrik und des unauffällig Absurden, wenn er ausführlich, subtil und abgründig von sich und seinen Abenteuern nicht nur im Kunstbetrieb erzählt.

Wer Sven Regeners Romane kennt, kann ahnen, warum er so viel Spaß daran hat, in Doraus schillerndes Universum einzutauchen und zu literarisieren, was dieser erzählt. Da gibt es einen Hypnosekönig, den Dorau aufsucht, um endlich zu erfahren, was er wirklich tief drinnen über seinen alten Freund Fred vom Jupiter denkt, die Panikattacke, die ihn als Adorno-Stimme in eine Verhaspelkatastrophe hineinrasen lässt, ein Musical namens König der Möwen, eine Frau mit einem Arm, ein Gitarrenalbum von einem, der Gitarren nicht ausstehen kann, einen Flaschenpfand-Stop-Motion-Trickfilm mit Feuergefahr und und und.

Wenn es ihn nicht gäbe, müsste man ihn erfinden: einen Helden wie Andreas Dorau, der den Sog des Erfolgs genauso kennt wie die Mühen der Ebene. Die Frau mit dem Arm ist der Roman eines Lebens, das keine Kompromisse kennt, oder wenn doch, dann nur solche, auf die sonst keiner gekommen wäre.

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