Interviews

Im Gespräch mit dem "Lalebuch"-Übersetzer Reinhard Kaiser

 

 

Während sich die Sonne immer öfter auf den Galiani-Balkon traut, hat Reinhard Kaiser uns Rede und Antwort zum Lalebuch gestanden. 

Im Interview erzählt er vom Übersetzen des “ersten komischen Romans der deutschen Literatur” und verrät, welches sein Lieblingskapitel ist.

Ein paar Fragen an den Übersetzer

Wie kamen Sie auf die Idee, das Lalebuch aus dem Deutschen des 16. Jahrhunderts in modernes Deutsch zu übertragen?

Ich hätte mich wahrscheinlich nicht so ohne weiteres an diese Operation getraut, wenn ich mir nicht ungefähr zehn Jahre vorher den »Abenteuerlichen Simplicissimus Deutsch« von Grimmelshausen vorgenommen hätte. Der ist uns ein kleines bisschen näher, aber abenteuerlich war auch dieses Übersetzungsprojekt, und sehr viel umfangreicher war es auch.

Es gibt ja schon das weitaus bekanntere Schildbürgerbuch. Wie kommt es, dass das Lalebuch so bekannt nie geworden ist?

Offenbar legte der Verfasser des Lalebuchs keinen Wert darauf, sich in dieser Weise bekannt zu machen. Bis heute rätselt man an der Verfasserfrage herum. Es gibt naheliegendere und weniger naheliegende Vermutungen - aber keine von ihnen ist ganz und gar überzeugend.

Der Erstdruck des Lalebuchs hat auch einen sehr komischen AnhangNeuen Zeitungen aus der ganzen Welt, der beim Schildbürgerbuch fehlt. Wie kam es dazu, dass Sie diesen Text gefunden haben?

Das ist eine seltsame Geschichte. Auf diese Neuen Zeitungen bin ich in den Jahren 1987-1989 bei den Recherchen zu einem eigenen Buch Der Zaun am Ende der Welt gestoßen, ohne dem Lalebuch hierbei Beachtung zu schenken. Die Neuen Zeitungen, so scheint mir, hatten sich aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang mit dem Lalebuch gelöst und waren auszugsweise in ein Buch mit dem Titel Ethographia Mundi geraten, das ein gewisser Johannes Olorinus im Jahre 1659 in die Welt gesetzt hat. Dass die Neuen Zeitungen zuerst im Lalebuch erschienen sind, war mir damals nicht klar. Aber die elfte und die zwölfte dieser Neuen Zeitungen bei Johannes Olorinus waren für mich ein großer Fund. 

Ludwig Uhland nennt das Lalebuch den ersten komischen Roman Deutschlands. Ist das gerechtfertigt?

Man könnte versuchen, diese These zu untermauern und auszubauen. Aber mir scheint, auch in der Epoche des Mittelhochdeutschen gab es schon allerlei Komik in der erzählenden Literatur. Man braucht nur genau hinzusehen.

Wie bewahrt man die Atmosphäre des Deutschen aus dem 16. Jahrhundert, während man gleichzeitig in das jetzige Deutsch übersetzt?

 Ich glaube nicht, dass dies eine Aufgabe ist, die sich jeder sprachhistorisch interessierte Schreiber selbst vornehmen und bewältigen kann. Mir scheint, eine Sprache erhält sich selbst und bewahrt ihre Möglichkeiten, oder sie gibt Spielräume preis. Jeder und jede Einzelne, der oder die mit ihrer Sprache einigermaßen bewusst umgehen, nehmen an diesem Prozess in seinem oder ihrem Spielraum teil. Aber diese Ausstrahlung bleibt begrenzt.

Welche Geschichte aus dem Lalebuch ist Ihnen die liebste?

Bei 45 Kapiteln ist das schwer zu sagen. Aber staunenswert erscheint mir die Geschlossenheit des Lalebuches. Das Schildbürgerbuch wirkt dem gegenüber in mancher Hinsicht wie Stückwerk. Schon zu Beginn des Lalebuches kehrt die Überschrift des 6. Kapitels kurz und knapp den springenden Punkt hervor: »Wie die weisen Lalen zu Laleburg eine Ratsversammlung abhielten und sich letztlich entschlossen, eine närrische Lebensart anzunehmen.« Und zum Schluß erfahren wir, wie die Lalen einen MAUSHUND und mit ihm ihr endgültiges Verderben kaufen!

 

Reinhard Kaiser

Reinhard Kaiser

Reinhard Kaiser lebt und arbeitet als Autor und Übersetzer in Frankfurt am Main. Er schrieb eigene Sachbücher und Romane und entdeckte für Deutschland u.a. Nancy Mitford und Vivant Denon wieder. In spektakulären Ausgaben bringt er den Deutschen das Werk Grimmelshausens wieder näher. Zuletzt hat er aus Rétif de la Bretonnes Vielbändern »Monsieur Nicolas« und »Die Nächte von Paris« kluge Auswahlen getroffen und diese übersetzt – und sie damit erstmals in all ihrer literarischen Größe einem deutschen Publikum zugänglich
gemacht.

Gebundene Ausgabe 20,00 €
E-Book 16,99 €